Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner "Einzelunternehmer.info" haben wir einen offenen Brief an die Landesregierung NRW zum aktuellen Stand des Rückmeldeverfahrens verfasst.
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Offener Brief an die Landesregierung NRW zur NRW-Soforthilfe 2020 (Pressemitteilung)
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Armin Laschet,
sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart,
sehr geehrter Herr Finanzminister Lutz Lienenkämper,
mit einigem Erstaunen haben rund 430.000 Selbständige in NRW am 02.Dezember die eMail des „Teams der NRW-Soforthilfe 2020“ erhalten, mit dem „Angebot“ die Soforthilfe noch in diesem Jahr abzurechnen, um steuerliche Nachteile zu vermeiden.
Das Anfang Juli gestartete Abrechnungsverfahren der NRW-Soforthilfe wurde am 14.Juli vorerst gestoppt, da noch offene Fragen mit dem Bund zu klären waren.
Da diese offenen Fragen nach wie vor nicht geklärt sind und große Teile der Wirtschaft unter dem aktuellen Lockdown leiden, wurde die Frist für die Abrechnung der Soforthilfe am 13.November verschoben, auf „Frühjahr 2021“, was wir auch sehr begrüßt haben.
Umso mehr verwunderte und verunsicherte nun die eMail vom 02.Dezember und der Hinweis auf „steuerliche Gründe“ zur vorgezogenen Abrechnung noch in diesem Jahr, auch und insbesondere, da alle Bewilligungsbescheide neben der Verpflichtung den erhaltenen Betrag der Soforthilfe gewinnerhöhend zu verbuchen auch den Passus enthalten „der zurück erstattete Betrag ist nicht steuerpflichtig.“ und zwar ohne eine zeitliche Begrenzung.
Durch die Abrechnung im Frühjahr 2021 verzerrt die erhaltene Soforthilfe bei den Betroffenen das Betriebsergebnis und führt zur Steuerprogression und zur Beitragserhöhung bei der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Diese Verzerrung betrifft sogar beide Jahre 2020 und 2021, da durch die Soforthilfe in 2020 eine Erhöhung der Steuerlast möglich ist, während es durch Rückzahlung in 2021 zu einer Reduzierung der Steuerlast kommen kann.
Dieses Thema trifft vor allem die kleinen (Solo-)Selbständigen, da sie ihr Betriebsergebnis nach der Einnahmenüberschussrechnung ermitteln, welche keine Möglichkeit auf Buchung von Rückstellungen zulässt.
Dadurch sind diese Unternehmer massiv benachteiligt gegenüber Unternehmen, die eine Bilanzbuchhaltung führen und somit etwaige Rückzahlungen der Soforthilfe ergebnisneutral per Rückstellung in das neue Buchungsjahr 2021 überführen können.
Gerade diese große Gruppe wird in ihrer Liquidität durch eine Versteuerung des vollen Betrages in 2020 spätestens mit der Veranlagung in 2021 zusätzlich belastet und Sie wissen selbst, wie wenig positiv nach derzeitiger Voraussicht die Aussichten für 2021 vermutlich sein werden. Nicht umsonst wurde bereits mehrfach die Verlängerung von Fördermaßnahmen bis Mitte 2021 angekündigt.
Wir Selbständigen sind davon ausgegangen und gehen noch immer davon aus, dass die NRW-Landesregierung nach ihrem Beschluss zur Verlängerung der Rückmeldefrist auf Frühjahr 2021 eine Lösung zur Vermeidung o.g. Probleme anbietet.
Es kann NICHT die Lösung sein, jetzt im Dezember den Empfängern der Soforthilfe die Pistole auf die Brust zu setzen und sie mit nur vier Wochen Vorlaufzeit zur vorzeitigen Abrechnung und Rückzahlung zu zwingen, um o.g. Probleme zu vermeiden!
Dies gilt insbesondere, da diese vier Wochen sowohl das Weihnachtsfest beinhalten, als auch innerhalb des derzeitigen “Lockdown-light” liegen, zwischen den Feiertagen viele Betriebe ohnehin geschlossen haben und es nahezu unmöglich ist, der Anregung des Landes zur Einholung eines Rates durch Steuerberater zu folgen und noch in diesem Jahr eine entsprechende Beratung zu erhalten.
Zudem haben die meisten Selbständigen gerade ganz andere Sorgen, der seit Anfang November geltende Lockdown, das Wegbrechen des Weihnachtsgeschäftes und die Ungewissheit über die Zukunft zerren an den Nerven und die Liquidität lässt bei den meisten Selbständigen aktuell auch keine Rückzahlung der Soforthilfe zu.
Die Lösung zur Vermeidung dieser Steuerungerechtigkeit wäre SEHR einfach und naheliegend:
Der Zahlungseingang der Soforthilfe könnte aus der steuerlichen Betrachtung 2020 herausgenommen werden, stattdessen könnte man den tatsächlichen Förderbetrag in die Einnahmenüberschussrechnung für 2020 buchen, wenn die genaue Höhe der zu behaltenden Soforthilfe nach Abschluss eines, alle Aspekte berücksichtigenden Rückmeldeverfahrens feststeht.
Da die Abrechnungsfrist der Soforthilfe bis "Frühjahr 2021" geht und die früheste Frist zur Abgabe der Einnahmenüberschussrechnung bis 31.07.2021 geht, wäre dies problemlos durchführbar!
Das Land NRW hätte dadurch keinerlei Nachteile, da die Rückzahlungsfrist bis "Herbst 2021" verlängert wurde. Die Soforthilfe ist steuerlich ein einmaliger Sonderfall, da muss man auch eine Sonderlösung finden können, um die Verzerrung von Einkommensteuer und freiwilligen GKV-Beiträgen zu vermeiden, Steuergerechtigkeit herzustellen und eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Gruppen der Soforthilfeempfänger zu vermeiden.
Wir gehen davon aus, dass in der Landesregierung niemand auf diese einfache Lösung gekommen ist und möchten der Landesregierung ungern unterstellen, jetzt bewusst Druck auf die betroffenen Selbständigen auszuüben, die Soforthilfe noch in diesem Jahr abzurechnen. Wir fordern die Landesregierung NRW daher auf, o.g. Lösungsvorschlag zeitnah und wohlwollend zu prüfen und umzusetzen!
Des Weiteren sind bei der Soforthilfe noch viele Fragen offen und eine abschließende Klärung der Rückzahlungsbedingungen zwischen Bund und Ländern steht ebenso noch aus, wie eine Klärung der diversen Widersprüche zwischen den Bewilligungsbescheiden, FAQs in verschiedenen Versionen, der Richtlinie und der derzeitigen Ausprägung des Rückmeldeverfahrens.
Es bleibt noch zu klären, inwieweit der am 31.Mai von Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart unterzeichnete Runderlass „Richtlinie NRW-Soforthilfe 2020“, welcher die Bedingungen der Soforthilfe RÜCKWIRKEND zum 27.03.2020 völlig neu regelte, gegen die ursprünglich erteilten Bewilligungsbescheide verstößt, bzw. welche Rechtswirkung er als nach innen, in die Verwaltung gerichteter Erlass überhaupt auf den einzelnen Soforthilfe-Empfänger entfaltet.
Vom damaligen und verbindlich in den Bewilligungsbescheiden formulierten „Umsatzausfall“ hin zum jetzigen Landeswillen „Liquiditätsengpass“ hat sich die Soforthilfe von einem unkomplizierten Zuschuss zu einem kaum wirksamen, verwirrenden Darlehen entwickelt.
Weiterhin ist der eklatante Unterschied in der Interpretation der Soforthilfe zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem Landeswirtschaftsministerium zu klären.
Die Bundesagentur für Arbeit erteilte im April „Weisungen zum Sozialschutzpaket“ an die angeschlossenen Jobcenter, wie im Rahmen der Anträge auf Grundsicherung mit der Soforthilfe umzugehen sei. Nach dieser Weisung sollte die Soforthilfe ALLE Betriebsausgaben abdecken, während ALLE Betriebseinnahmen bei der Anrechnung der Grundsicherung als Gewinn und somit Einkommen behandelt wurden.
Nach diesen Kriterien konnte kaum ein Selbständiger, der Soforthilfe erhielt und noch geringe Umsätze erwirtschaften konnte, die Grundsicherung beantragen, da sämtliche Umsätze in diesem Fall als Einkommen gewertet wurden und so eine Bedürftigkeit nicht anerkannt wurde.
Die „Weisungen zum Sozialschutzpaket“ waren seit April die einzige seriöse Quelle, in der (sogar mit Beispielen) die Soforthilfe erklärt wurde.
Erst Anfang Juli gab es vom Landeswirtschaftsministerium im Zuge des Rückmeldeverfahrens zum ersten Mal Informationen, wie die Soforthilfe aus Sicht des Landes (und des Bundes?) abgerechnet wird. Nach dieser Abrechnungsmethode kann die Soforthilfe nur für ein paar ausgewählte Verluste genommen werden, da die Betriebsausgaben zuerst von Betriebseinnahmen zu decken sind, bevor die Soforthilfe den „Liquiditätsengpass“ ausgleichen kann.
Diese Interpretationsunterschiede zwischen Bundesagentur für Arbeit und Land NRW führen dazu, dass viele Selbständige wegen der Soforthilfe keinen Antrag auf Grundsicherung stellen konnten, während gleichzeitig mit der Soforthilfe keine Möglichkeit zur Gewinnerzielung in den drei Monaten des Bewilligungszeitraums bestand. Es können daher nicht beide Interpretationen der Soforthilfe korrekt sein, da beide Interpretationen zusammengenommen zu einer massiven Benachteiligung der Betroffenen führen und die Soforthilfe quasi doppelt abgerechnet wird.
Weiterhin gibt es auch Klärungsbedarf was die Anerkennung der Betriebsausgaben betrifft.
Zum Beispiel dürfen nach der jetzigen Interpretation des Landes NRW die KFZ-Kosten nur anteilsmäßig bei der Soforthilfe angerechnet werden. Da vielen Selbständige seit Mitte März durch die Pandemie alle Aufträge weggebrochen waren, konnten sie ihr Fahrzeug oftmals überhaupt nicht zu gewerblichen Fahrten einsetzen. Somit fallen für viele Selbständige die kompletten Leasingkosten des KFZ in den Bereich der privaten Lebenshaltungskosten, da sie aufgrund der Corona-Pandemie keine gewerblichen Fahrten hatten.
Das ist sicher nicht im Sinne einer wirtschaftlichen Hilfe zur Abmilderung der Pandemie-Folgen, wenn eben diese Pandemie-Folgen unberücksichtigt bleiben und war auch nie Gegenstand der Formulierungen der Bewilligungsbescheide und der FAQ in den verschiedenen Ausprägungen.
Wir Selbständigen haben seit Beginn der Pandemie beim Thema NRW-Soforthilfe etliche Vertrauensbrüche des Landes erlebt.
Von der ursprünglichen Aussage „darf für private Lebenshaltungskosten genutzt werden“ bliebe nach der jetzigen Interpretation des Landes NRW nur eine „Vertrauensschutzlösung“ mit einer Deckelung auf einmalig 2.000 € übrig, die nicht mal alle Firmenarten (GmbH vs. KG / OHG usw.) in Anspruch nehmen dürften und zudem nicht einmal ansatzweise die Lebenshaltungskosten der Soforthilfeempfänger abdeckt, in vielen Fälle nicht einmal zur Deckung der Kranken- und Pflegeversicherung sowie auch nur eines Teil der Unterbringungskosten ausreicht. Von der ursprünglichen und verbindlich formulierten „Kompensation des Umsatzausfalls“ blieben nach derzeitiger Interpretation erst nur „fixe Betriebskosten“ übrig. Selbst von diesen „fixen Betriebskosten“ sollen weiter bei Beginn des Rückmeldeverfahrens nur „deckt ein paar ausgewählte Verluste“ übrig bleiben.
Dieser neuerliche Druck auf uns Selbständige, vier Wochen vor Jahresende und mitten im Lockdown, ist da nur noch das “saure” Sahnehäubchen obendrauf und war so nicht in den Bewilligungsbescheiden etc. vereinbart.
Wir haben zusammen mit dem Bündnis #alarmstuferot auf insgesamt acht Kundgebungen vor dem NRW-Landtag in Düsseldorf demonstriert, um auf all die Probleme der mangelhaft konzipierten Soforthilfen und Überbrückungshilfen hinzuweisen. Es wurden uns seitens des Wirtschaftsministeriums Gespräche auf Augenhöhe angeboten, doch bis heute haben wir keine Terminangebote erhalten.
Wir fordern die Landesregierung daher auf, endlich Wort zu halten und mit den Betroffenen über Lösungen zu sprechen!
Ansonsten werden wir in Kürze wieder vor dem Landtag laut werden. Auch weitere rechtliche Beratung / Überprüfung (läuft bereits) und Mandatierung bleibt vorbehalten.
Mit freundlichen Grüßen
Marc Schuirmann – IG NRW Soforthilfe
Reiner Hermann – IG NRW Soforthilfe
Thomas von Korvey – IG NRW-Soforthilfe
Christophe Colbeau – Einzelunternehmer.info
P.S.: Dieser offene Brief geht ebenfalls an zahlreiche Pressekontakte sowie an Vertreter aller im Landtag vertretenen Parteien.
Über die Interessengemeinschaft NRW-Soforthilfe:
Die IG-NRW Soforthilfe ist ein Zusammenschluss von inzwischen mehr als 4.200 Soloselbständigen, Einzelunternehmern, kleinen Unternehmen, Freiberuflern, Künstlern usw. aus NRW und wir haben alle einiges gemeinsam: Wir haben den Aussagen von Politikern, den Bedingungen des Landes NRW usw. geglaubt und haben die Soforthilfe beantragt, bewilligt bekommen und erhalten. Nun stehen wir vor dem Chaos aus im Nachhinein veränderten Bedingungen, nachträglichen Behauptungen und einem sog. Rückmeldeverfahren, das so nie vereinbart war.
Gemeinsam wehren wir uns dagegen! Auch mit juristischer Beratung!
http://www.ig-nrw-soforthilfe.de
Ansprechpartner: Marc Schuirmann
Über die Initiative Einzelunternehmer.info:
Die Initiative Einzelunternehmer.info ist eine Privatinitiative zum Erhalt der Veranstaltungswirtschaft in NRW. Das Team von Einzelunternehmer.info hat für das Bündnis #alarmstuferot die Landes-Demonstrationen in NRW organisiert und durchgeführt.
http://www.einzelunternehmer.info
Ansprechpartner: Christophe Colbeau